Literarische Weinstunde mit José F.A. Oliver am 24.6.23

Lit Weinstunde23 1Schreiben heißt Leben

Literarische Weinstunde mit José F.A. Oliver

Eine der außergewöhnlichsten Begegnungen mit Literatur in der nun fast 70jährigen Geschichte der Literarischen Weinstunde durfte die Weinbruderschaft der Pfalz am Samstag dem 24. Juni 2023 erleben. Zu Gast war einer der renommiertesten Literaten Deutschlands, José F.A. Oliver. Ausgezeichnet wurde der Träger des Bundesverdienstkreuzes am Bande und Ehrenbürger der Stadt Hausach unter anderem mit dem Heinrich Böll-Preis, dem Thaddeus-Troll-Preis, dem Joachim-Ringelnatz-Preis und dem Basler Lyrikpreis. Als Präsident steht er der Schriftstellervereinigung PEN Deutschland vor. Herzlich begrüßt wurde der PEN-Präsident vom Ordensmeister der Weinbruderschaft, Oliver Stiess. Moderiert wurde der Abend von Bruderschaftsmeister Michael Landgraf, der PEN-Generalsekretär mit José Oliver zusammen den PEN Deutschland leitet. Die Dankesworte sprach Ordenskanzler Karl-Heinz Bauer.

José Oliver begann mit einem Nachdenken über die Poesie, von der er sagt: „Die schönste Poesie ist ein Lächeln. Und doch können auch Worte bisweilen eine zärtliche, Umarmung sein. Manchmal kann ein Gedicht sogar die Welt erklären und ein einzelner Vers Trost bedeuten.“ Anhand einzelner Worte machte der Poet deutlich, wie tiefgründig beispielsweise der Begriff „Wunderbar“ sein kann, je nachdem, wie man hier den Akzent setzt. Für die Akzentsetzung hat Oliver auch ein eigenes Stilmittel gefunden, das in die Geschichte der deutschen Sprache inzwischen eingegangen ist – den Oliver´schen Doppelpunkt. Als erster Blumenhallendichter einer Bundesgartenschau schenkt er so beispielsweise selbstgeschriebene Wortkarten mit dem Wort B:lumen, das quasi zwei Worte beinhaltet – das offensichtliche Wort Blumen sowie Lumen, ein lateinisches Wort, das Licht bedeutet, woraus das poetische Wort „Blumen geben Licht“ entsteht. Setzt man den Doppelpunkt bei gem:einsam entdeckt man, dass die Einsamkeit dem Gemeinsamen vorausgeht.

In einem zweiten Teil berichtete José F.A. Oliver von seinen Erfahrungen als Kind von Migranten, die bereits vor seiner Geburt aus Andalusien in den Schwarzwald gezogen waren, der Arbeit wegen. So ist er Quasi viersprachig aufgewachsen, spanisch-deutsch, andalusisch-alemannisch. Eines seiner frühen Bücher mit dem Titel Gastling von 1993 verarbeitet unter anderem seine frühen Jahre. Wie sehr er in der Schwarzwaldkultur beheimatet ist zeigt, dass er sogar stellvertretender Zunftmeister der Alemannischen Fastnacht war. Wichtig für die Verarbeitung der unterschiedlichen Kulturen, die ihn prägten, war das Schreiben. So lautet der Titel eines seiner Bücher „Mein andalusisches Schwarzwalddorf.“ Auch berichtete er, dass er früh schon Kontakt zum pfälzischen Fabelwesen „Elwetritsche“ hatte. „Eine Nachbarin, die auf uns aufpasste und aus dieser Region hier stammte, sagte uns Kindern, wenn wir uns weigerten, mit ihr in den Wald spazieren zu gehen: Wir gehen Elwetritsche fangen. Wir gingen mit, auch wenn wir nicht wussten, was das ist. In Neustadt sind mir zum ersten Mal Elwetritsche begegnen – das hat mich sehr beeindruckt“, berichtete der PEN-Präsident.

In einem dritten Teil zeigte er auf, wie wichtig ihm Humor ist. So schreibt er: „Wenn der Humor bei der Poesie Pate steht, bekommt unsere Phantasie Flügel. Humor ist unerlässlich. Ohne Humor verkümmern wir. Humor ist Zuversicht.“ Eine der Lebensmaximen des Lyrikers Oliver lautet daher: „Ich war ein Narr und was ich gesehen habe, hat mich zu zwei Narren gemacht.“

Einen Schlusspunkt setzte José F.A. Oliver mit einer literarischen Betrachtung des Weins. So zitierte er den Dichter Charles Baudelaire, der sinnierte: „Man sollte immer betrunken sein. Aber wovon? Vom Wein, der Poesie oder der Tugend, was immer Sie wollen. Doch Hauptsache betrunken.“ Am Ende kam er zu dem Schluss, dass ein Leben ohne Wein kein wahres Leben sei. Hierzu zitierte er Fernanco Pessore, der sagte: Über der Seele ein vergebliches Flattern. Von dem, was nicht war, nicht sein kann und das alles ist. Gib mir mehr Wein, denn das Leben ist nichts.“

Michael Landgraf 2023

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